Jedem Abschied wohnt ein Anfang inne

Am Sonntag, den 30. Juni dieses Jahres wird sich Johannes Quirl nach 31 Jahren als Pastor von St. Severin verabschieden, wird sich die Severiner Gemeinde von ihm verabschieden – ein großer Einschnitt, ein großes "Aufhören"verbunden mit der Herausforderung, die Zukunft neu zu gestalten. Johannes Quirl sprach mit Ingrid Rasch von der Pfarrbriefredaktion über seine Gedanken zum Aufhören und Neubeginnen.

Ingrid Rasch: Sie haben schon sehr früh angekündigt, dass Sie mit 70 Jahren Ihr Amt als leitender Pfarrer von St. Severin beenden werden – was hat Sie so sicher in Ihrer Entscheidung gemacht?

Johannes Quirl: Ich fand es immer schon problematisch, wenn Priester "bis zum Umfallen" im Amt blieben. Zu oft haben Kollegen den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören verpasst. Ich bin froh, dass es jetzt diese Altersbegrenzung gibt, und es tut gut, sich selbst früh darauf einzustellen und das auch mitzuteilen, wenngleich manche Menschen darüber erschrocken waren. Die körperlichen und auch geistigen Kräfte reduzieren sich mit zunehmendem Alter; das spüre ich deutlich. Außerdem ist es gut aufzuhören, wenn die Arbeit noch Freude macht und es positive Rückmeldungen gibt.

Auch die Möglichkeit, als sogenannter Subsidiar noch eine Funktion wahrzunehmen, möchte ich nicht nutzen, sondern in Freiheit nur noch das tun, was mir möglich ist und von mir gewünscht wird. Ein gutes Vorbild ist mir da mein Kollege Johannes Krautkrämer. ‚Ich möchte niemandes Herren Knecht sein‘ – so sein Ausspruch (lacht) – und wer ihn erlebt, der spürt, mit wie viel Liebe und Herzblut er handelt. Ich freue mich darauf, das Maß meines Arbeitens und Handelns selbst bestimmen zu können.

Sie haben im vergangenen Jahr der Gemeinde einen Brief geschrieben, in dem steht unter anderem "Zum 31.7.2024 werde ich mit dem dann zu Ende gegangenen Gemeinde-, Schul- und Kindergartenjahr in den Ruhestand eintreten." Wie fühlen Sie sich mit Blick auf den näher rückenden Abschied?

Ich bin ein Mensch, der sich nicht gut verabschieden kann – am liebsten habe ich es kurz und schmerzlos – tschüss, es war schön...aber das geht natürlich hier nicht. Es wird einen letzten gemeinsamen Gottesdienst am 30. Juni geben – mit Menschen, die mich geprägt haben und die ich prägen durfte. Ein langer Lebensabschnitt geht zu Ende - es war ein guter und sehr schöner.
Als ich 1980 zum Priester geweiht wurde, da habe ich mir nicht träumen lassen, über so viele Jahre in Verantwortung zu stehen. Seit 1986, also seit 38 Jahren, bin ich Pfarrer – zunächst in Bickendorf und dann in St. Severin, wo ich allein drei Fusionen der insgesamt fünf Pfarrgemeinden rund um den Chlodwigplatz durchführen musste. 
Mit großer Trauer denke ich auch an das Aufgeben von 11 Kindergarten- und Hortgruppen zurück.

3_┬®SilviaBins_0593 (c) SilviaBins

Mit Blick auf meine Zukunft empfinde ich eine Gemengelage – da gibt es Trauer und Befürchtungen. Ich muss mich darauf einstellen, dass Schaffenskraft und Energien in den kommenden Jahren nachlassen werden, vielleicht Krankheiten sich einstellen. Mein Leben wird sich verändern und soziale Kontakte werden sich neu sortieren. Aber es gibt auch durchaus positive Aspekte. Ich habe keine Sorge, dass es mir langweilig wird oder dass sich nichts Neues entwickelt.

In dem erwähnten Brief haben Sie auch von einem halben Jahr Pause gesprochen. Wie planen Sie, diese Pause zu gestalten?

Ich habe unter anderem vor, mit dem Fahrrad kreuz und quer durch die Republik zu fahren, um Freunde und Verwandte zu besuchen. Darauf freue ich mich sehr. Ich habe vor, wieder mehr zu lesen, werde meine gerade frisch überholte Viola (Bratsche) wieder hervorholen und reisen zu Zeiten, die bisher nicht möglich waren. Manche Dinge werde ich auch fortführen können, zum Beispiel meinen Dienst als Funkenpastor bei den roten Funken, der mir sehr viel Freude macht.

Wie erleben Sie aktuell dieses letzte Jahr, die letzten Monate Ihres Amtes hier in der Gemeinde?

Ich erlebe die Zeit sehr bewusst – das letzte Mal als Nikolaus in den Kindergärten und im Vringstreff, das letzte Mal Karnevals-Kleinkinder-Gottesdienst mit den roten Funken, die Aschenfeier am Aschermittwoch, die kommende Osternacht … Da kommt Traurigkeit auf - und zugleich weiß ich, dass ich viele Dinge nicht vermissen werde: Sitzungen, Dienstbesprechungen, Strukturdebatten, … Und es gibt eine deutliche Vorfreude auf eine größere Freiheit in der persönlichen Lebensgestaltung, verstärkt kulturelle Veranstaltungen besuchen zu können, spontaner Besuche zu machen oder Besuch zu empfangen...

3_IMG_4148 (c) privat

Zugleich tut mir gut zu wissen: Trotz aller Widrigkeiten, die eine "Kirche von oben" in den letzten Jahren verstärkt mit sich bringt, weiß ich die Gemeinde in guten Händen. Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand sind gut aufgestellt; viele Menschen haben den Mut, ihre Charismen (Gaben und Fähigkeiten) selbstbewusst einzusetzen. So bringen sie unter anderem in einer bunten Vielfalt von Gottesdiensten ihre Ideen und Gestaltungen ein; der Caritaskreis leistet hervorragende Arbeit, nach wie vor bin ich begeistert von "Keiner geht allein…", um nur ein paar Beispiele zu nennen.  

Wie bereiten Sie sich selbst vor auf den Abschied?

Ich habe schon vor einer Weile begonnen, bestimme Aufgaben abzugeben und in bewährte Hände zu legen, zum Beispiel im Kirchenvorstand. Abgeben und Delegieren war mir in den letzten Jahren zunehmend nicht nur im Hinblick auf meinen Abschied ein Anliegen, sondern sowohl aus der Bibel begründet als auch aus meinem dienenden Amtsverständnis, damit eine gute Fortführung der Arbeit unter anderem auch mit einem neu sich gründenden "Team von Verantwortlichen" gelingen kann. 

Zum Abschied gehört leider auch, eine neue Wohnung zu finden – eine, zu der mein Bauchgefühl ja sagt. Je nachdem, wo diese Wohnung sich befindet, werde ich dann entscheiden, ob und wo ich mich im gottesdienstlichen und seelsorglichen Bereich so einbringe, wie es für mich und den Ort passt. Aber bevor das geschieht, muss ich mich von Vielem trennen, das sich in 31 Jahren angesammelt hat. Das fällt mir schwer, und besonders schwer fällt es mir bei den Büchern, die ich keinesfalls alle mitnehmen kann.

Aber ich nehme Anderes mit: Ich habe so viel Schönes erlebt an diesem Ort, dafür werde ich immer dankbar sein. Wie viele musikalische, biblische oder andere Talente haben sich entwickelt, manche für eine Weile, andere dauerhaft. Es gab viele spannende Begegnungen in dieser Zeit, die mich geprägt und auch verändert haben. Auch das gemeinsame Feiern habe ich genossen. Und ich wünsche der Gemeinde von ganzem Herzen, dass sie die Fähigkeit, das Leben und den Glauben zu feiern, weiterhin behält.

3_johannes (c) privat